Montag, 4. Juli 2016

Vertriebler sind anders?

Der Vertriebsmitarbeiter ist häufig der Außenseiter im Unternehmen. In der Wahrnehmung von Mitarbeitern anderer Organisationseinheiten ist der gemeine Vertriebsmitarbeiter
  • nicht loyal gegenüber dem Unternehmen,
    besser bezahlt ohne entsprechende Leistung ("was hat der dieses Jahr denn schon verkauft"),
  • materialistisch (Fokus auf Geld, Dienstwagen, sonstige Statussymbole),
  • nicht interessiert an tiefergehenden Hintergründen von Leistungen und Produkten (Vertriebsmotto: "Sei schlau, bleib dumm"),
  • gleichgültig gegenüber Prozessen, Abläufen und Absprachen (Vertriebsmotto: "Umsatz geht vor Anstand").
Und das Schlimmste ist: zu häufig entspricht dieses Bild der Wahrheit. Woran liegt das? Sind Vertriebler schlechtere Menschen?

Nein, das sind sie nicht. Sie sind nur durch das im Vertrieb übliche Steuerungssystem in einer Art und Weise sozialisiert worden, dass sich die beschriebenen Verhaltensweisen verstärkt ausprägen können.

Steuerung über monetäre Ziele sind heute leider immer noch der wesentlichste Hebel der  Vertriebssteuerung. Die Ausrichtung der Vertriebsorganisation über einen Provisionsplan und ihre Motivation durch Rennlisten scheinen ebenso einfach wie zielführend und insbesondere in ihrem Erfolg messbar. Die Mitarbeiter, die diesem Regime unterworfen werden, unterliegen so einem individuellen Druck, wie er in Unternehmensorganisationen ihresgleichen sucht.

Das durch die Steuerungsmethoden entworfene Wertebild ist eindeutig: "Erfülle deine Ziele und du bleibst bei uns und wirst hervorragend bezahlt. Regelabweichungen sind geduldet, wenn Umsatz und Ertrag stimmt. Wenn die Zahlen den Erwartungen nicht entsprechen, dann gehen unsere Wege auch bald wieder auseinander."

Ein solches System unterbindet die Ausbildung von Loyalität. Warum soll man loyal sein, wenn das Verhältnis zwischen Mitarbeiter und Unternehmen in gemeinsamen Einverständnis nur so lange bestehen bleibt, wie der messbare Erfolg des Einzelnen fortdauert? Warum soll ich mich vor diesem Hintergrund mehr als unbedingt nötig mit den Produkten meines Arbeitgebers beschäftigen?

Ein solches System stärkt den Materialismus. Die Zielerreichung und das damit einhergehende Gehaltsniveau wird gleichzeitig zum wesenlichen Maßstab der unternehmensinternen Wertschätzung. Wenn man nur an monetärem Erfolg gemessen wird, wie kann man sich einer materialistischen Grundeinstellung entziehen?

Ein solches System macht den Vertriebsmitarbeiter einsam. Wenn man Vertriebsmitarbeitern mitgibt, dass vor dem Hintergund großen vertrieblichen Erfolgs die kleineren Verstöße gegen bestehende, interne Regelwerke geduldet werden, dann trägt man seitens des Managements selber dazu bei, den Vertriebsmitarbeiter zu isolieren.

Das Management betrachtet dies als notwendiges Übel. "Vertriebler sind anders", hört man regelmäßig. Das System aufzubrechen ist tatächlich eine Herausforderung: vom Vertriebsmanagement bis zum einfachen Vertriebsbeauftragten sind die Mitarbeiter nach diesem Muster sozialisiert und reagieren mit großem Misstrauen auf ein verändertes Steuerungsverhalten.

Ich bin der festen Überzeugung, das sich eine Vertriebsorganisation auch ohne eindimensionale, monetäre Steuerungssysteme erfolgreich lenken lässt. Glaube an das Produkt, Identifikation mit dem Unternehmen und soziale Einbettung können auch für den Vertrieb zu Erfolgsfaktoren werden. Man muss nur den Mut mitbringen, aus den hergebrachten Denkstrukturen auszubrechen!

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