Freitag, 19. August 2016

Banken in der Sinnkrise

Folgt man den Außendarstellungen der maßgeblichsten deutschen Banken, so betrachten diese den deutschen Mittelstand und insbesondere mittelständische Unternehmen als Zielkunden. Mir wurde als Geschäftsführer einer solchen Unternehmung in der Vergangenheit das daraus resultierende, besondere Interesse der Banken häufiger zuteil. Diese Kontakte waren in der Regel konstruktiv und hilfreich.

Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen haben sich in der Finanzbranche aber bekanntermaßen in den letzten Jahren deutlich verändert. Wo früher einfache Lösungen zumindest punktuell unbürokratisch herzustellen waren, kämpft man nun gegen anonyme Rating-Systeme in Kombination mit Vertriebsorganisationen, die jeglicher Entscheidungsfreiheit beraubt zu sein scheinen und häufig nicht in der Lage sind, die Entscheidungen der Marktfolge überhaupt zu erklären. Sicherheiten gelten nicht mehr als Sicherheiten und Faktoren wie Zahlungsmoral, Länge von Geschäftsbeziehungen und eine mittel- wie langfristig solide Geschäftsentwicklung spielen nur noch eine untergeordnete Rolle.

So fällt es den Geldhäusern in einem erdrückenden, zum Teil selbstauferlegten, zum Teil von Seiten Dritter aufoktroyiertem Risikomanagement zunehmend schwer, bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen oder Neukunden zu gewinnen.

Woher kommt ein solches Verhalten? Es folgt aus dem Reflex, mit dem die Banken auf die Krisen der jüngsten Vergangenheit reagieren. In erschütternder Offenheit reduzieren sich die Unternehmen in ihren strategischen Zielen auf einen reinen Überlebenskampf. So liest man hierzu an einschlägiger Stelle:
  • "Wir investieren in unsere Ertragskraft"
  • "Wir optimieren unsere Kapitalausstattung"
  • "Wir setzen unser striktes Kostenmanagement fort"
als Eckpunkte der aktuellen Strategie. Es handelt sich nicht um einen Ausschnitt der Strategiesarstellung, sondern abschließend um alle strategischen Aussagen, die die Bank formuliert - verbrämt lediglich von erklärendem Text.
Eine andere deutsche Großbank äußert sich hierzu wie folgt:
  • "Wir wollen <die Bank> einfacher und effizienter gestalten"
  • "Wir wollen das Risikoprofil der Bank reduzieren"
  • "Wir wollen besser kapitalisiert sein"
Also steht keineswegs solides Wachstum, Kundengewinnung, Kundenzufriedenheit oder gar die Wahrnahme eines volkswirtschaftlichen Auftrags im Zentrum des Agierens - sondern vielmehr Effizienzsteigerung, Kostenreduktion und Risikominimierung. Nach meinem Dafürhalten hat ein Unternehmen, dessen strategische Ziele sich dergestalt ausprägen, das Ende des Lebenszyklus seines tradierten Geschäftsmodells erreicht. 

Bestätigung findet diese These auch darin, dass die Geldhäuser offensichtlich nach neuen Dienstleistungsansätzen suchen. Jüngst wurde ich in diesem Zusammenhang mit folgendem Angebot konfrontiert: da unser Finanzierungswunsch durch die Bank abschlägig beurteilt wurde (Begründung: unverständlich, siehe oben) wartete sie nach vier Monaten Bedenkzeit mit einem Alternativvorschlag auf. Man könne den Zugang zu einem Marktplatz bieten, in dem die Bank direkte Finanzierungen zwischen wohlhabenden Finanziers und kapitalsuchenden Mittelständlern vermitteln würde. 

Dies erscheint zunächst ein plausibler Ansatz - bei näherer Betrachtung läuft es dem Betrachter jedoch kalt den Rücken runter. Warum macht die Bank einen solchen Vorschlag? Genau aus zwei Gründen:
  1. Die Bank will selber kein Finanzierungsrisiko eingehen - auch nicht, wenn dies höhere Zinserträge bei entsprechend höherem Risiko verspricht.
  2. Die Bank ist nicht in der Lage, ihren wohlhabenden Kunden attraktive Verzinsungen zu bieten.
Die beiden Gründe bedingen einander: wenn ich mich grundsätzlich verweigere, selber höhere Risiken in der Kapitalanlage einzugehen, nehme ich mir die Möglichkeit, meinen Anlegern attraktive Verzinsungen anzubieten. 

Mit diesem Handeln macht sich die Bank faktisch überflüssig. Sie sieht sich nicht mehr in der Lage eine eigene Risikobündelung durchzuführen und so ihre Kunden vor individuellen Anlagerisiken zu schützen, sondern reduziert sich selbst auf die Rolle eine Finanzmaklers.

Und man bedenke: wir sprechen hier nicht über Finanzierungen im Start-Up Bereich, sondern über solide, mittelständische Unternehmen. Diese Form des Risikomanagements lässt den Eindruck entstehen, dass die Finanzkrisen der letzten Jahre durch Fehlinvestitionen im deutschen Mittelstand verursacht worden wären.

Abschließend sein noch ein strategisches Ziel erwähnt, welches eines der führenden deutschen Geldhäuser als vierten strategischen Eckpfeiler ausweist:
  • "Und schließlich wollen wir eine besser geführte Bank sein"
Dieser Punkt erregt meine besondere Aufmerksamkeit. Ich versuche mir die Situation vorzustellen, in der ich als Geschäftsführer eine Unternehmenspräsentation vor Vertretern einer Bank mit dem Ziel der Findung einer Finanzierungslösung halte. Und ich weise als einer meiner vier strategischen Ziele den hehren Wunsch einer besseren Unternehmensführung aus. Würde es mir auf dieser Basis gelingen, die Finanzierung zu realisieren? Oder würde mich die Bank höflich aber bestimmt vom Hof jagen?  Und was heisst das für mich im umgekehrten Fall - wenn mein Bankpartner dies freimütig zu einem seiner Ziele erhebt? Die Einschätzung möge der Leser selbst vornehmen ...


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